Der Körper als Instrument

Was Spiegelneurone mit dem Sprechen zu tun haben

Wenn Sie kommunizieren, wollen Sie sich mitteilen und Inhalte transportieren: beim Sprechen steht also immer der Inhalt im Mittelpunkt.

Der größte Teil Ihrer Wirkung auf andere besteht allerdings darin, wie Sie sich und Ihre Inhalte präsentieren. Dabei spielen der Klang Ihrer Stimme und Ihr körperlicher Ausdruck eine herausragende Rolle. Dies umso mehr, als Stimmklang und Körperspannung, Haltung und Körperausdruck eng miteinander verwoben sind und sich gegenseitig beeinflussen.

Der Körper ist das Instrument, aus dem Sie den Klang Ihrer Stimme hervorlocken. Und wie bei vielen anderen Instrumenten ist es auch bei der Stimme so, dass das Instrument „gestimmt“ sein will, um „schöne“ Klänge produzieren zu können.

Der Stimmklang hat also eine ungeheure „Macht“. Wodurch kommt diese Macht zustande? Eine Antwort auf diese Frage geben uns die Spiegelneurone.
Spiegelneurone

1995 entdeckte der Italiener Giacomo Rizzolatti die Spiegelneurone. Einfach ausgedrückt spielt unser Gehirn alles nach, was in unserem Gegenüber vorgeht: Mimik, Körperhaltung, Blicke, Stimmklang. Menschen erleben innerlich mit, was in einem anderen Menschen vorgeht. Meist ist dieser Vorgang unbewusst. Doch auch wenn er unbewusst bleibt, gibt er uns Informationen darüber, welche Absichten und Motive, Gefühle und Befindlichkeiten unseren Gesprächspartner bewegen. Die Spiegelneurone bilden die Grundlage für die Fähigkeit zu Empathie.

Für die Stimme bedeutet das, das wir durch den Stimmklang anderer in unseren inneren, körperlichen und emotionalen Vorgängen beeinflusst werden und, umgekehrt, andere durch den Klang der Stimme beeinflussen – und zwar unabhängig davon, ob wir das wollen oder nicht. Hier einige Beispiele:

  • Herz und Kreislauf

    Klare Worte, mit lebendiger Stimme und präsenter Körperhaltung vorgetragen, lassen das Herz schneller schlagen und regen den Kreislauf an. Energielosigkeit in der Stimme und Körperhaltung und monotone Sprechweise bewirken das Gegenteil.

  • Bewegung und Körperspannung

    Ob Sie bei einem Vortrag ermüden und eingesunken auf Ihrem Stuhl sitzen, oder den Vortrag als spannend und aktivierend erleben, hat sehr viel damit zu tun, wie viel Energie der Vortragende durch seine Stimme, Gestik und Modulation überträgt.

  • Atem

    Wenn ein Sprecher, z.B. aus Nervosität flach atmet, führt das zu einer gepressten, eventuell überhöhten Stimme. Auch die Zuhörer werden beginnen, flach zu atmen, und sich vermutlich unwohl fühlen. Andererseits kann ein Sprechender vertieftes Atmen und Wohlbefinden auslösen, wenn er selbst atemverbunden spricht, d.h. selbst tief atmet. Die Stimme wird dann automatisch tiefer und klangvoller.

  • Sprechweise

    Wenn ein Vortragender überhastet spricht, was meist mit kurzem, schnappenden Einatmen verbunden ist, wird er bei seinen Zuhörern vermutlich Unruhe und ein Empfinden des Getriebenseins auslösen.

  • Gefühle und Stimmungen

    Stimme transportiert Gefühle und erzeugt Stimmungen. Auch am Telefon erkennen wir, ohne unseren Gesprächspartner zu sehen, dessen Stimmung und Gefühlslage. Haben Sie beispielsweise einen unzufriedenen Kunden oder Kollegen am Telefon, der seinen Ärger äußert, werden Sie bewusst gegensteuern müssen, um sich nicht „anstecken“ zu lassen. Umgekehrt können Sie durch Ihren Tonfall, die Stimmlage und natürlich die Wahl Ihrer Worte, Ihren Gesprächspartner in eine andere Stimmung bringen, die ihm erlaubt, eine distanziertere und damit klarere Sicht auf die Dinge zu haben.

  • Zeitempfinden

    Je nachdem, wie „spannend“, d.h. in welcher Körper- und Stimmspannung ein Vortrag dargeboten wird, werden die Zuhörer ein unterschiedliches Zeitempfinden haben: Spricht der Vortragende mit klangvoller, lebendiger Stimme, so wird ihnen die Zeit wie im Fluge vergehen.

Fazit

Sie sehen also, dass „Stimme“ ein komplexes Thema ist. Unsere Wirkung auf andere, unsere Überzeugungskraft unterliegt größtenteils unbewussten Prozessen.

Wenn Sie Ihre Präsenz und Ihre Wirkung auf andere beeinflussen wollen, gilt es, diese unbewussten Prozesse mehr und mehr ins Bewusstsein zu holen.

Je bewusster Sie Empfindungen und Spannungen in Ihrem Körper wahrnehmen, desto bewusster können Sie steuern, was Sie senden und was bei Ihrem Gegenüber ankommt. Gutes Stimm- und Sprechtraining ist daher immer auch ein Training der Sinneswahrnehmung.

Madeleine Streiber