Überzeugen Sie mit Ihrer Stimme!

Untersuchungen haben ergeben, dass der Klang der Stimme zu etwa 35 Prozent darüber „bestimmt“, wie überzeugend wir auf unsere Gesprächspartner wirken. Nur zu sieben Prozent trägt der Inhalt des Gesagten zur Überzeugungskraft bei. Und trotzdem lassen wir meist das Potential unserer Stimme völlig unentwickelt brach liegen. Das können Sie jederzeit ändern. Denn Stimme ist veränderbar.

Die persönliche Note Ihrer Stimme ist geprägt durch genetische Faktoren, durch Einflüsse wie Erziehung und kulturelles Umfeld, durch Nachahmen von Vorbildern, aber vor allem auch durch Ihre „Stimmung“. Wie Sie sich in einer Situation fühlen, hat große Auswirkungen darauf, wie Ihre Stimme klingt.

Jeder kennt ihn, den berühmten Kloß im Hals, der einem plötzlich die Kehle zuschnürt, wenn man sich dessen, was man sagen will, nicht hundertprozentig sicher ist oder wenn man eine unangenehme Mitteilung zu machen hat. Vielleicht haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht bei einem Vortrag: Nervosität kann dazu führen, dass der Mund trocken wird, die Stimme plötzlich kleinlaut, flach und gepresst wirkt. Ihre Stimme wird unterschiedlich klingen, je nachdem, ob Sie sich müde fühlen oder beschwingt, aufgeregt oder ausgeglichen.

Stimme übermittelt Informationen

Über den Klang der Stimme nehmen wir eine Vielfalt an Informationen auf, die uns zum Teil unbewusst bleiben. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Sie stehen mit dem Rücken zu jemanden, der sagt: „Die Türe steht offen.“ Zunächst ist dies eine neutrale Information. Nur über den Klang der Stimme können Sie diese Information einordnen. Ist es eine Aufforderung, die Türe zu schließen? Schwingt Ärger mit darüber, dass Sie die Tür nicht geschlossen haben, wo Sie doch wissen sollten, dass Ihr Kollege empfindlich auf Zugluft reagiert? Will Ihr Kollege, der gerade von einem Gespräch mit Ihren Vorgesetzten kommt, Ihnen hocherfreut mitteilen, dass Ihr gemeinsames Projekt genehmigt wurde?

Stimme erzeugt Stimmung

Durch die Stimme können Sie Stimmungen entstehen lassen und beeinflussen. Denken Sie beispielsweise an amerikanische Wahlkampfredner, die durch Steigerung von Lautstärke und Tonhöhe ihr Publikum zu Jubelstürmen aufzupeitschen verstehen. Ärzte und Therapeuten geben ihrer Stimme einen anderen Klang als etwa ein Bauleiter, weil über die Stimme unterschiedliche Wirkung erzielt werden soll: Vertrauen schaffen und beruhigen einerseits, klare Arbeitsanweisungen erteilen andererseits. Eine gereizte Stimme wird meist eine gereizte Stimmung entstehen lassen, eine monotone Stimme lässt die Zuhörer schläfrig und unaufmerksam werden, und durch Optimismus in Ihrer Stimme werden Sie eine positive Grundstimmung schaffen.

Im Allgemeinen werden einer volltönenden, tiefen Stimme folgende Eigenschaften zugeschrieben: vertrauenswürdig, überzeugend, selbstbewusst, standhaft. Nun sollte man daraus nicht den Schluss ziehen, dass es wünschenswert ist, die Stimme mit Anstrengung in die Tiefe zu zwingen. Ohne richtige Atem- und Stimmtechnik würde die Stimme dadurch lediglich zu dunkel und resonanzarm. Auch die hellen Anteile in der Stimme sind wichtig. Sie bringen die Stimme zum Strahlen und machen sie tragfähig, so dass sie auch über größere Distanzen gut verständlich ist.

Wenn die Stimme eine so starke Wirkung auf den Zuhörer hat, stellt sich die Frage, wie man den Klang der Stimme beeinflussen kann.

Der Schlüssel ist der Atem

Ein Ton entsteht dadurch, dass der Ausatem die Stimmbänder in Schwingung versetzt. Wird diesem Ton Raum gegeben durch eine angemessene Öffnung von Mund und Rachen – im Fachjargon das „Ansatzrohr“ genannt – so kann der Klang sich optimal entfalten. Von der Qualität des Atems hängt also die Qualität des Tones ab. Ziel eines Stimmtrainings ist daher zuallererst, den Atem frei fließen zu lassen. Das setzt voraus, dass der gesamte Körper durchlässig ist. Spannungen in Schultern, Nacken, Kiefer, eine schlechte Körperhaltung beeinträchtigen den Atem. Sorgen Sie deshalb dafür, dass Sie beim Sprechen möglichst aufrecht sitzen oder stehen, tragen Sie Kleidung, in der Sie sich wohlfühlen und die Sie nicht einengt. Achten Sie darauf, dass Sie sich ausreichend bewegen. Es kann Wunder wirken, wenn Sie sich mehrmals täglich genussvoll dehnen und räkeln und dabei mit möglichst weit offenem Mund gähnen.

Atemübung

Atmen Sie ruhig und gleichmäßig. Überlassen Sie sich dabei dem natürlichen Rhythmus Ihrer Atmung. Lassen Sie den Bauch locker und beobachten Sie, wie der Atem sich wie von selbst im Körper ausbreitet. Legen Sie Ihre Hände auf verschiedene Stellen Ihres Körpers, um die Atembewegungen zu erfühlen: Auf den Bauch, in den Rücken, seitlich an die unteren Rippen. Lassen Sie sich dabei Zeit. Sie werden spüren, wie der Atem immer tiefer einströmt. Geben Sie dann den Atem über die Lippen ab mit einem „F“, als sei es ein Seufzer der Erleichterung.

Diese Übung hilft Ihnen, den Atem zu vertiefen, und wirkt gleichzeitig beruhigend und konzentrationsfördernd, ist also auch bestens geeignet vor aufregenden Situationen.

Stress sitzt oft im Kiefer

Viele Menschen stehen unter Dauerstress, sei es im Beruf oder Privatleben. Wird der Stress nicht abgebaut, so setzt er sich im Körper fest, bevorzugt in der Atemmuskulatur und den Artikulationsorganen, das sind Kiefer , Zunge, Lippen. Wir kennen das alle: Zähne zusammenbeißen und durch! Es entstehen Verspannungen, die den Atem, die Klangentfaltung und die Deutlichkeit der Aussprache blockieren. Übungen zur Lockerung der Artikulationsorgane sollte man täglich machen. Es bietet sich an, dies immer wieder mal zwischendurch zu tun, zum Beispiel wenn Sie im Auto sitzen.

Kiefer lockern

Massieren Sie die Kiefermuskeln. Streichen Sie den Kiefer nach unten ab: Die Hand bewegt den Kiefer, er sinkt schwer nach unten. Bewegen Sie den Kiefer in alle möglichen Richtungen, machen Sie große Kaubewegungen.

Zunge lockern

Lassen Sie Ihre Zunge im Mundraum auf Entdeckungsreise gehen: Zählen Sie die Zähne, erforschen Sie den Mundboden, den Gaumen, den Raum zwischen Zahnreihen und Lippen. Lassen Sie Ihre Zunge in den Backen kreisen. Sprechen Sie dann in steigendem Tempo Silben wie: „Lalelilolu, Tatetitotu, Dadadededididododudu, Badaga-Badaga-Badaga“. Ihrer Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt.

Lippen lockern

Blasen Sie durch die locker geschlossenen Lippen hindurch. Es entsteht ein Geräusch wie das Schnauben eines Pferdes. Wenn Sie mit Ton durch die Lippen hindurch blasen, klingt das wie ein Motorengeräusch.

Stimmübungen

Nun, da die Lippen gelockert sind, summen Sie ein „M“. Dabei sollten Sie angenehme Vibrationen in den Lippen spüren. Diese Übung hilft Ihnen, Stimmsitz und Artikulation nach vorne zu bringen. Ihre Stimme gewinnt dadurch an Brillanz, die Aussprache wird prägnanter. Seien Sie sich Ihrer Lippen beim Sprechen bewusst. Den „Brustton der Überzeugung“ können Sie schulen, indem Sie „MA“ oder „MO“ tönen. Legen Sie eine Hand auf den Brustkorb: Je mehr Vibration Sie fühlen, um so freier ist der Ton.

Wechseln Sie die Tonhöhen, um den Tonumfang mit der Zeit zu erweitern. Gleiten Sie mit Ihrer Stimme möglichst fließend von der Höhe in die Tiefe und zurück. Benutzen Sie dazu alle Vokale.

Übung macht den Meister

Stimmübungen sind zunächst gewöhnungsbedürftig. Scheuen Sie sich nicht, sich auf die Übungen einzulassen, am besten mit viel Spaß am Ausprobieren. Schon zehn Minuten täglichen Übens kann Ihnen helfen, bewusster und überzeugender zu sprechen.

Zum Schluss:
Tipps für überzeugendes Sprechen:

  • Lesen Sie möglichst viel laut und nehmen Sie sich mit einem Diktiergerät auf. Egal ob Zeitungsartikel oder Bedienungsanleitung: Jeder Text eignet sich hervorragend, um den stimmlichen Ausdruck zu üben.
  • Variieren Sie beim Lesen zwischen laut und leise, schnell und langsam, hohen und tiefen Tonlagen.
  • Achten Sie auf Sprechpausen: Wie lange können sie sein? Welche Wirkung haben sie?
  • Spielen Sie mit verschiedenen Stimmungen und ändern Sie den Tonfall von heiter zu bierernst, von unheilvoll zu begeistert. Lassen Sie sich überraschen davon, wie die Aufnahme klingt. Vielleicht hatten Sie beim Sprechen die Empfindung, sehr zu übertreiben und die Aufnahme gibt einen ganz anderen Eindruck wider!

Madeleine Streiber